Claire Béraut ist die älteste Tochter des alteingesessenen Pharmazeutischen Ehepaares Béraut. Sie hatte noch 2 jüngere Geschwister in doch recht geringem Altersabstand. Ihre Vorfahren kamen um 1875 aus Frankreich und wurden mit Handkuss aufgenommen. Das fortschrittliche Wissen um den medizinisch/apothekerischen Bereich der Familie war für Hope County von unermesslichem Wert. Noch heute führen die Bérauts die städtische Apotheke. Inzwischen in 3. Generation. Claire wuchs also zwischen Medikamenten und der Verantwortung welche diese mitbrachten auf. Klar, dass sie in eben dieser Branche einsteigen würde. Wie sollte es anders sein. Ihre Jugend war unaufregend normal. Natürlich feierte sie Partys, trank und machte auch die ein oder andere verbotene Sache. Doch im Großen und Ganzen war sie einfach ein ganz normaler Teenager gewesen der viel Zeit mit der Familie in der Natur verbracht hatte. Mit ihren Cousinen hatte sie Reitunterricht genommen und war sogar im Country Club der High – School tätig gewesen. Nach der Schule studierte sie Pharmazie und arbeitete daraufhin kurze Zeit später außerhalb in einem wissenschaftlichen Institut an der Forschung von Medikamenten. Als studierte Pharmazeutin war das der logische Weg. Doch es zog sie recht schnell wieder nachhause. Sie vermisste, ganz der Familienmensch der sie war, eben diese und auch die gewohnte Umgebung. Sie übernahm neben ihrem Vater die Geschäftsführung der Apotheke der Familie um eben diesen zu entlasten. Letzens kaufte sie sich ein altes Häuschen am Stadtrand um es zu renovieren. Viel zu tun hatte sie und doch war sie einfach nur froh wieder zuhause zu sein, ihre Familie um sich zu haben und die Ruhe die sie in Holland Valley verspürte genießen zu können. Wer wusste schon was sie in nächster Zeit erwartete. Es würde einiges an Arbeit auf die junge Frau zukommen und die Ein oder Andere Bekanntschaft wieder aufgenommen oder neu geknüpft werden. Eigentlich könnte sie sich ja auch einen alten Pickup zulegen… es gab so viel zu erleben! Auf ins Abenteuer.

Am Tag der Beerdigung regnete es in Strömen. Unter den schwarzen Regenschirmen dicht aneinander gedrängt stand die Trauergesellschaft vor dem Grab, als der schwere Sarg von den sechs Trägern herunter gelassen wurde. Der Priester sagte ein paar Worte, die im grollenden Donner unter gingen, und spritzte einige Tropfen Weihwasser in Richtung des weißen Blumengesteckes, das auf dem glänzenden Klavierlack drapiert worden war. Dann traten die Gäste der Trauerfeier nach und nach an das Grab, senkten den Kopf andächtig und warfen jeder eine weiße Rose hinein. Das Symbol für Reinheit, Unschuld und Treue. Verdammte Heuchler, dachte Dalton, der aus ein paar Metern Entfernung das Spektakel beobachtete. Auch eine ganze Wagenladung weißer Rosen und hundert Liter Weihwasser würden nichts daran ändern, was der zu Grabe Getragene war: Ein verdammter Scheißkerl. Ein Säufer, Schläger und Vandale. Auch wenn alle meinten, dass man nichts schlechtes über Verstorbene sagen sollte, änderte das an der Wahrheit nichts. Zwar war niemals darüber gesprochen worden, aber dass die blauen Flecken, die Veilchen und aufgeplatzten Lippen seiner Frau und seines Kindes kein Zufall waren, hatten alle gewusst. Niemand konnte so oft die Treppe herunter fallen oder gegen einen Tür laufen. Und als seine Frau sich vor über zwanzig Jahren aus dem Staub gemacht hatte, hatten sie sich alle heimlich für sie gefreut. Selbst wenn das hieß, dass sein Sohn mit dem Scheusal allein sein sollte.
„Da ist Dalton“. Flüsternd durchbrach die rauchige Stimme der alten Nachbarin der Ravenss das Schweigen. Plötzlich drehten sich alle zu ihm um. Sahen den im Regen stehenden bulligen Kerl an, in seiner schwarzen Jeans und der Lederjacke, mit einer glimmenden Kippe im Mundwinkel. Er war nass bis auf die Haut, doch ihn schien das nicht im Geringsten zu interessieren. Sie alle hatten ihn schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen. In der Nacht zu seinem achtzehnten Geburtstag war er in einer Nacht- und Nebelaktion abgehauen und hatte sich seitdem nicht wieder blicken lassen. Gerüchteweise hatten sie gehört, dass er in Detroit gelandet sein sollte. Arzt sollte er mittlerweile sein. Doch danach sah der Hühne nicht wirklich aus. Er sah kantig aus, irgendwie mitgenommen und abgewrackt. Vielleicht war er ja auch zur Army gegangen, denn das war ein anderes Gerücht, das sich gehalten hatte. Ja, das passte viel besser.
Als Dalton mit langen Schritten auf das Grab zu ging, wichen sie alle zurück und machten ihm Platz. Als wäre er ein Aussätziger, mit dem sie ja nicht in Berührung kommen wollten. Dalton beachtete sie nicht. Er blieb am Rand des Grabes stehen und sah hinab. Eigentlich war er nur gekommen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass dieser Mistkerl wirklich tot war. Rauch stieg aus seinen Mundwinkeln, als er ein letztes Mal an seiner Zigarette zog und den Rest der Fluppe in das Grab seines Vaters schnipste. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging zurück zum Parkplatz. Aus seiner Hosentasche fummelte er die kleine Pillendose mit den Tabletten, die er letzte Woche im Krankenhaus eingesteckt hatte. Es hatte doch etwas gutes, Assistenzarzt zu sein. Er kippte die letzten zwei Tabletten aus der Dose direkt in seinen Mund und schluckte sie trocken herunter. Vor ein paar Jahren hatte er das Zeug noch gebraucht, um die Schmerzen zu betäuben, die die Schusswunde in seiner Schulter verursacht hatte. Ganze drei Tage hatte er es nach seiner Ausbildung bei der Army im Einsatz im Irak ausgehalten, bis die feindliche Kugel ihn knapp neben der Lunge getroffen und ihn damit dienstunfähig gemacht hatte. Ehrenhaft entlassen – das konnten nach der kurzen Zeit nicht viele von sich behaupten. Von der Wunde spürte er mittlerweile nichts mehr. Nur die Narbe war zurück geblieben. Der Schmerz, den er schon seit geraumer Zeit zu betäuben versuchte, war ein anderer. Der saß tiefer, viel tiefer sogar. Auf seinem Herzen, in seiner Seele oder wie auch immer man den ganzen Gefühlsscheiß beschreiben wollte. Dalton selbst hatte kein Wort dafür. Er redete ohnehin nicht darüber, sondern zog sich einfach nur die kleinen Pillen rein, die ihm das Überleben ein wenig leichter machten.
Er drehte den Zündschlüssel und fuhr mit laut aufheulenden Motor los, um diesen Scheißort, in dem er aufgewachsen war, für immer hinter sich zu lassen.


Die Beerdigung ist mittlerweile ein knappes Jahr her. Ein Jahr, in dem sich sein ganzes Leben abermals auf den Kopf gestellt hat. Denn auch wenn er es immer noch nicht richtig wahr haben möchte – seine Assistenzarztstelle ist er mittlerweile los geworden. Grund dafür ist sein größter Nebenbuhler im Krankenhaus gewesen – ein anderer Assistenzarzt, der ein absolut beschissener Klugscheißer ist, wenn man Dalton fragt. Er war nämlich derjenige, dem nicht nur aufgefallen war, dass immer wieder Tabletten verschwanden, die allerdings nicht an Patienten ausgegeben wurden, sondern auch die Person, die Dalton als Schuldigen im Visier hatte. Mit diesen Schuldzuweisungen konfrontierte er ihn schließlich auch, was Dalton so sehr aus der Haut fahren ließ, dass er ihm einige Faustschläge verpasste, mit denen er ihm nicht nur das Jochbein, sondern auch das Rückgrat brach. Der Klugscheißer hielt danach nämlich seine Klappe, was die Tablettengeschichte anging. Es war nur ungünstig für Dalton, dass das Krankenhaus es gar nicht gern sah, wenn die Mitarbeiter auf Kollegen einschlugen. Er wurde kurzerhand vor die Tür gesetzt – und stand nun da, plötzlich wieder ohne Perspektive, allein – und ziemlich am Arsch. Kein Job mehr, kein Geld... und kein Nachschub. Er wollte einfach nur noch weg, war aussichtslos und verzweifelt – so sehr, dass es ihn doch wieder zurück in seine Heimat zog, zu seinem Cousin, der einen Schafbetrieb hatte und ihm einen Job und eine Unterkunft anbot. Daltons Rettung, um zumindest Problem 1 und 2 kurzfristig wieder in den Griff zu bekommen. Die Lösung des Problems Nummer 3 schob er erstmal noch etwas nach hinten – immerhin reichte sein Vorrat noch ein kleines bisschen.


Kurze Anmerkung zu dem Gesuch von Joyce:
Ich hatte mir gedacht, dass die Beiden vllt tatsächlich zusammen zum Schulball gegangen sind und Dalton damals schon ein bisschen bad boy mäßig unterwegs war - Hintergünde dazu in der Story :) Und vllt sehen sie sich jetzt wieder, weil er ebenfalls auf der Ranch arbeitet?